Das Licht ist gedämpft und aus dem Radio schwingen sanfte Klänge zu mir herüber. Obwohl ich unter der Decke liege, fühlen sich meine Hände und Füße mal wieder extrem kalt an. Achtzehn kleine Nadeln stecken von Kopf bis Fuß in meinem Körper. Ich versuche, mich zu entspannen und in die Schmerzpunkte hineinzuatmen. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Ich bin traurig und wütend und hoffe, dass ich meine Schmerzen bald in den Griff bekomme.
Alles hat vor circa sieben Jahren begonnen, als ich gerade mal 15 Jahre alt war und irgendwie auf dem Höhepunkt meiner sportlichen Karriere. Ich habe zu früh zu viel trainiert. Die Folge: Ich tingelte von einer Verletzung zu nächsten. Und auch trotzdem ich vor vier Jahren dem Leistungssport den Rücken gekehrt habe, leide ich bis heute unter anhaltenden Beschwerden im Alltag. Auf die Momente, in denen ich nachts wach liege und vor Schmerzen nicht schlafen kann, will ich gern verzichten. Tja, vielleicht war mein Körper einfach nicht für diese Art von Belastung gemacht, doch hat mir das leider keiner gesagt. Naja vielleicht meine Mutter, aber das habe ich damals wohl gekonnt ignoriert...
Ich möchte in diesem Beitrag keinem von euch mein Leid klagen. Doch als ich auf dieser Liege lag, mit den achtzehn Nadeln in meinem Körper, kamen mir so einige Gedanken, da ich zu diesem Thema auch immer wieder in meinem Umfeld kontroverse Diskussionen höre, wie viel Sport denn jetzt eigentlich gesund sei.
Vermutlich ist mein Umfeld in diesem Fall auch ein eher spezielles, da ich in einer Sportlerfamilie aufgewachsen bin, dann jahrelang Leistungssport betrieben und bis vor Kurzem an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert habe. Trotz zahlreicher vergangener Blessuren und Verletzungen ist und bleibt der Sport ein fester Bestandteil meines Lebens, auch wenn sich der Umfang heute deutlich gemindert hat und ich den Leistungssport zunehmend kritisch betrachte.
Doch genau aus diesem Grund möchte ich diese Frage für mich klären:
Wie viel Sport ist (noch) gesund?
Zuerst einmal stelle ich meine Frage an unsere Gesellschaft. Was wird uns vorgelebt? Die Zahl der Fitnessstudios hat in den letzten Jahren rasant zugenommen, die Werbemaßnahmen dieser Ketten ebenso. Und in den Medien? Überall schlanke, durchtrainierte Menschen, was keineswegs den Durchschnitt der deutschen Bevölkerung widerspiegelt. Denn Fakt ist, dass Bewegungsmangel insbesondere hierzulande ein echtes Problem darstellt. Wächst man nicht gerade wie ich in einer Sportlerfamilie auf, dann besteht der Alltag bei vielen Menschen zum Großteil nur aus Sitzen: in der Schule, im Büro, im Bus oder Auto. Dass zunehmende Inaktivität schädlich für das Herz ist, ist wohl kein Geheimnis und doch sorgt sie dafür, dass weltweit fünf Millionen Menschen frühzeitig sterben. Viele vergessen die zahlreichen Vorteile, die Bewegung eigentlich mit sich bringt:
Sport macht glücklich, hilft gegen Depressionen, beugt Demenz vor und wirkt zudem unterstützend bei der Therapie zahlreicher Krankheiten. Obendrein hält Bewegung extrem jung: Sportlich aktive Menschen sind motorisch gesehen bis zu zehn Jahre jünger als Couch-Potatoes. Das beweisen Ergebnisse einer Langzeitstudie des Karlsruher Instituts für Technologie.
Sport = langes, gesundes Leben?
So einfach ist das leider nicht ganz... Wie ich am eigenen Leib zu spüren bekam (und immer noch bekomme), kann ein zu intensives und vor allem zu häufiges und einseitiges Training gesundheitsschädlich sein. Sind bei mir (bislang) nur Gelenke und Muskeln betroffen, beweisen neue Studien nun, dass sich ZU viel Sport auch auf das Herz-Kreislauf-System gesundheitsschädlich auswirken kann. In Deutschland sterben laut Statistik jährlich (!!!) rund 900 Sportler an einem plötzlichen Herztod. Verschleppte Infekte sowie angeborene Herzfehler werden hierbei als häufigste Ursache angegeben. Laut dem italienischen Kardiologen Domenico Corrado sei das Risiko bei Profisportlern mehr als doppelt so hoch wie bei Hobbysportlern.
Doch was ist denn jetzt zu viel und was zu wenig?
Empfohlen wird eine 'moderate' Dosis an Bewegung: 150 Minuten pro Woche, also etwa 20 Minuten pro Tag. 20 Minuten am Tag Sport zu treiben, sollte eigentlich für keinen von uns ein Problem darstellen. Doch oft ist es der innere Schweinehund, der uns daran hindert. Und diese 2-2,5 Stunden Sport pro Woche sind ausreichend, um das Risiko für Übergewicht und Bluthochdruck um das Fünffache zu senken.
Natürlich sind die Genetik eines jeden Menschen und insbesondere die Ernährung hierbei zusätzlich maßgebliche Faktoren. Man kann sich also an diesen Richtwerten orientieren. Am Ende muss aber natürlich jeder selbst für sich herausfinden, was für ihn das richtige Maß und vor allem auch die richtige Sportart sind.
Ich zum Beispiel habe in der Schauspielausbildung meine neue Leidenschaft gefunden. Ich bin den ganzen Tag in Bewegung: von Tanz, über Yoga und Gymnastik. Zusätzlich mache ich Übungen, zur Genesung und Stabilisation meiner Verletzungen, gehe Schwimmen und Radfahren. Denn gar nicht bewegen ist auf keinen Fall eine Lösung, aber auch kein tägliches intensives stundenlanges Training.
Ah, die goldene Mitte also!
Am Ende noch das Wort an meine Leistungssportfreunde da draußen, die diesen Beitrag vermutlich zum Kotzen finden: Passt einfach auf euch auf! Ich weiß, es ist eure Leidenschaft. Aber euer Körper begleitet euch noch für den gesamten Rest eures Lebens. Geht sorgsam mit ihm um!
©Fotos: Lukas Schulze
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Sabine Veit (Dienstag, 07 November 2017 11:30)
Super Gedanken - kann ich nur unterstützen, auch wenn ich kein Leistungssportler war und schon leider über 60 Jahre auf dem Rücken habe!
Viel Erfolg auch ohne Leistungssport!!!!