Schnell. Schneller. Deutsche.
Ganz egal, wo ich mich umschaue. Die Menschen auf den Straßen hasten von A nach B. Die Woche ist von Montag bis Freitag mit Terminen vollgepackt. Tagsüber im Job, am Abend kochen, Verabredungen oder mit alten Freunden datierte Telefonate. Alles scheint durchgetaktet bis hin zur letzten freien Minute. Zumindest kommt es mir so vor, wenn ich mich auf der Straße oder in meinem eigenen Leben umgucke.
Als ich letztens bei meinem Freund in Berlin zu Besuch war, haben wir uns im Vorhinein zwei Tage vorgenommen, an denen wir uns nichts vornehmen wollten. Absurd oder? Naja, immerhin hat es an einem von zwei Tagen geklappt.
Nicht falsch verstehen, ich liebe es, produktiv zu sein, konnte früher Langeweile und Nichtstun kaum aushalten. Schon als Kind brauchte ich am Sonntag immer eine Extrabeschäftigung. Oft ging ich in die Küche und backte einen Kuchen für die ganze Familie oder nervte mit meiner Unruhe einfach nur meine Eltern. Ich erinnere mich noch daran, dass ich einmal mit Bett lag und der Meinung war, dass selbst meine Gedanken vor oder nach dem Einschlafen irgendwie produktiv und konstruktiv sein müssten, da sie mir sonst verschwendet schienen.
Immer mit den Gedanken an das, was noch vor einem steht, was man noch einkaufen oder erledigen muss oder das Vergangene auswertend. Warum ist das so gelaufen? Hätte das nicht an der einen oder anderen Stelle besser laufen können? Woran hat es gelegen? Sicher an mir oder?
All diese Gedanken an Dinge, die vergangen sind, halte ich mittlerweile für verschwendet. Wozu sich über etwas aufregen, das ich nicht mehr ändern kann?
Ich habe gelernt, diese Energie zu sparen. Für mich. Klar tut es manchmal gut, sich aufzuregen und ja bitte, lasst all eure Emotionen fein raus, aber beruhigt euch dann auch schnell wieder und konzentriert euch auf die eine wirklich wichtige Sache, nämlich auf euch selbst.
Wir alle leben viel zu wenig im Moment. Im Hier und Jetzt.
Denn glaubt mir, niemand und erst recht nicht ihr selbst habt etwas davon, wenn ihr euch ununterbrochen selbst stresst oder gar von anderen stressen lasst. Nicht um sonst gilt das Burn-out mittlerweile als deutsche Volkskrankheit, von welcher sich 50 Prozent der Deutschen bedroht sehen.*
Fast neun von zehn Deutschen fühlen sich von ihrer Arbeit gestresst.*
Was sind das für unglaubliche Zahlen?
Und warum lassen wir das mit uns machen?
Ich habe das Gefühl, wir Deutschen haben irgendwann den entscheidenden Absprung verpasst. An der Gabelung zwischen Arbeit und Privatleben sind wir, ohne nachzudenken, in Richtung Job gerannt. Denn natürlich wollen wir Erfolg haben. Natürlich wollen wir Geld verdienen. Aber was bringt es uns, wenn wir ackern und ackern, bis wir nicht mehr können und dann keine Kraft mehr für die wirklich wichtigen Dinge haben.
Freunde treffen. Ein Buch lesen. Halt diese normalen Freizeitaktivitäten verfolgen.
Damit wir irgendwann im Burn-out enden? Warum sagt an dieser Stelle niemand etwas und drückt einmal auf den Pause-Knopf, wie damals in diesem Film mit Adam Sandler ‚Klick’, oder schaltet wenigstens das Gesamttempo der Deutschen Mal 3 Gänge zurück.
„Slow down you crazy child.“, singt Billy Joel. Und er meint es auch so.
Denn JA! Es tut gut runterzufahren. Sich mal bewusst zu machen, was man schon alles geschafft hat. Und dann diesen Zustand und diesen Moment zu genießen. Und nicht daran zu denken, was als Nächstes ansteht, um noch weiter zu kommen, noch höher auf der Karriereleiter zu steigen. Sondern sich einfach mal sagen: „Hey, großartig. Ich bin stolz darauf, was ich geleistet habe. Stolz auf mich.“
Sich diese verflixte Pause, mal eine Auszeit gönnen. Gönnen. Ja sich mal etwas gönnen. So richtig aus tiefster Seele.
Die anderen können das auch, das habe ich gemerkt, als ich diesen Sommer in Spanien und Italien unterwegs war. Etwas abseits der Großstädte. Die Menschen dort haben ein anderes Tempo. Alles scheint wie in Zeitlupe abzulaufen. Entspannt. Niemand hetzt von A nach B, sondern schlendert von Café zu Café. Am Mittag gibt es neben einem ordentlichen Teller Pasta und einem guten Gespräch mit Freunden auch ein oder zwei Glas Wein zum Essen. Warum auch nicht? Es fühlt sich in jedem Fall richtig gut an!
Aber warum soll ich nur so leben, wenn ich gerade im Urlaub in Italien bin? Warum können wir das nicht hier in Deutschland? Warum holen wir uns bei Rewe einen Salat to go, anstatt sich auch mal mittags eine Stunde Zeit zu nehmen?
Es geht mir hier überhaupt nicht darum, immer Wein zu trinken oder Pasta zu essen, sondern einfach um ein Lebensgefühl. Natürlich ist das nicht immer machbar, denn wir alle haben ja wichtige Termine, müssen liefern, und zwar pünktlich, am besten noch vor dem Abgabetermin.
Nichts müssen wir. Ich meine es ernst!
Ja, genügend Geld für eine schöne Wohnung, eine warme Mahlzeit und Sachen zum Anziehen sind von großer Wichtigkeit. Ich denke nur, dass erst durch diese Überspitzung vielleicht manchem klar wird, in welchem Tempo wir uns bewegen und dass es uns allen gut tut, mal ein bis zwei Gänge herunterzuschalten. Mir gelingt das mittlerweile immer öfter. Es ist mir bewusst geworden, dass es mir gut tut, wenn ich mich entspanne. Und ich dann nach einer kreativen Pause viel produktiver in ein neues Projekt starten kann.
Wir Menschen sind eben keine Maschinen.
Tut Euch was Gutes. Tut es für Euch. Für Eure Gesundheit. Für Eure Zukunft. Für Euer verdammt geiles Leben.
Gönnt Euch was.
*Das sind die Ergebnisse einer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegende Umfrage der pronova BKK.